19.05.2025

Taiwan Today

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Aufstieg und Niedergang des Treibnetzfischfangs

01.09.1992
Die Fischereiindustrie Taiwans kämpft mit immer größeren Schwierigkeiten: steigende Betriebskosten, Arbeitskräftemangel, schwindende Fischgründe und immer mehr Einschränkungen und Auflagen der eigenen wie auch ausländischer Regierungen.
Nach Jahren internationalen Drucks will die Republik China den Fischfang mit Treibnetzen offiziell zum Ende des Jahres 1992 abschaffen. Wird die Hochseefischerei ohne diese sehr profitable Fangmethode überleben?

Dieses Jahr ist offiziell das letzte für den Fischereizweig der Republik China, in dem Treibnetze verwendet werden. Gemäß dessen Verbot durch die Vereinten Nationen wird Taiwan seine Treibnetzfangflotte zum Ende des Jahres 1992 außer Dienst stellen. Im Laufe der achtziger Jahre hatte sich diese Fangmethode als die effektivste und profitabelste der Hochseefischerei erwiesen; ihr Fehlen wird deutlich zu spüren sein.

Das Fischen mit Treibnetzen war eine Adaption des Fischfangs mit Wandnetzen, einer unter Hochseefischern auf der ganzen Welt beliebten Methode, bei der Fische unter Verwendung weitmaschiger Nylonnetze in Wandnetzen gefangen wurden. Ein Treibnetz ist nun einfach eine Kette solcher Wandnetze. Nachdem man bei jedem Abschnitt des Netzes oben Schwimmer und unten Gewichte anbringt, werden die ins Wasser gehängten Netze dann miteinander zu einem kontinuierlichen "Vorhang" verbunden, der sich bis zu 50 Kilometer weit erstrecken kann. In dieser unsichtbaren Wand aus Nylon verfängt sich alles Seegetier, das groß genug ist, um von den Maschen erfaßt zu werden. Normalerweise lassen Treibfischer ihre Netze bei Sonnenuntergang ins Wasser, ankern über Nacht und holen sie zu Sonnenaufgang wieder ein.

Treibnetzfischfang wurde auf Taiwan, während der zweiten weltweiten Ölkrise, von Japan aus eingeführt. Die Technik wurde schnell populär, weil sie bedeutend weniger Treibstoff beansprucht als andere Verfahren der Tiefseefischerei. Beim Fischen mit dem Beutelnetz oder mit der Langleine müssen die Fischer die Fangleinen und -netze in Schlepp nehmen, und bei der Arbeit mit dem Heintzblinker müssen sie des Nachts helle Lampen brennen lassen, um den Tintenfisch an die Wasseroberfläche zu locken, wo er mit köderlosen Haken aufgenommen wird. Das Fischen mit Treibnetzen erfordert weder Schleppziehen noch Lichter. Zusätzlich braucht man nur ein Drittel der Mannschaftsmitglieder, die auf anderen Fangbooten von vergleichbarer Tonnage notwendig sind. So bot der Treibnetzfischfang Taiwans Tiefseefischerei sowohl für deren Treibstoff- als auch Arbeitskräftemangel eine Lösung. Zusätzlich konnten Bootseigner die Betriebskosten um mehr als ein Viertel senken und einen Fang einholen, der vier Mal größer war als bei anderen Verfahren der Tiefseefischerei.

Der Treibnetzfischfang brachte der Fischereiindustrie den benötigten neuen Schwung. Während der siebziger Jahre verlor die Republik China 30 Prozent ihrer weltweiten Fanggründe, als ein Land nach dem anderen Fischereizonen etablierte, d. h. daß die Gewässer innerhalb 200 Seemeilen von der Küste einer Nation für ausländische Fischersleute, deren Heimatland keine entsprechende Erlaubnis hat, geschlossen sind. Das Fischen mit Treibnetzen bot eine Möglichkeit, Taiwans Tiefseefischerei trotz geschwundener Fischgründe existenzfähig zu halten. Die sogenannte "Fischereimethode des armen Mannes", als welche sie einst von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (United Nations Food and Agriculture Organization) aktiv gefördert wurde, verbreitete sich schnell in der Tiefseefischerei Taiwans. Zahlreiche Firmen beeilten sich, kleine Schiffe für den Treibnetzfischfang umzurüsten.

Die ersten Treibnetzfischdampfer der Republik China kamen 1979 auf, als Fischer auf der Suche nach Tintenisch damit in den Nordpazifik fuhren. Vier Jahre später zog eine Flotte in den Indischen Ozean und schöpfte erfolgreich dessen Thunfischfanggebiete aus. 1984 steuerten einige Treibnetzfischer in den Nordpazifik, um Thunfisch zu fangen. Taiwans Treibnetzdampfertlotte wuchs von 1980 bis 1988 von zwölf auf zweihundert derartige Schiffe. Zu ihren Glanzzeiten war die Flotte so groß wie die von Südkorea und ein Drittel der von Japan. Japan, Südkorea und Taiwan unternahmen die weltweit größten Fangzüge mit Treibnetzen.

Die meisten Treibnetzfangboote waren klein, zwischen 200 und 400 Tonnen, während andere Schiffe der Tiefseefischerei 700 Tonnen haben. Dieser Fischereizweig teilte sich in zwei Einsatzbereiche auf: Großmaschige Netze (mit Maschen von 18 bis 22 Zentimetern) waren für Thunfisch bestimmt, kleinmaschige Netze (8 bis 12 Zentimeter) wurden für Tintenfisch verwendet. Viele Schiffe betrieben das ganze Jahr über Treibnetzfischfang und fingen von Mai bis Juni im Nord- und Südpazifik Thunfisch, während sie sich für die Tintenfischsaison von Juli bis Oktober im Nordpazifik aufhielten.

Wieder ein erfolgreicher Fangzug, doch erheben Fischer aus anderen Ländern den Vorwurf, daß die Meere überfischt würden. Die Meeresressourcen stehen allmählich vor der Gefahr, sich zu erschöpfen.

Dem Rat für Landwirtschaft (Council of Agriculture) zufolge betrug der Absatz in dem Bereich, wo mit großmaschigen Netzen gefischt wurde, 1990 mehr als 231 Millionen US$. Diese Zahl machte nahezu 18 Prozent am Gesamtergebnis der Tiefseefischerei aus, womit das Fischen mit großmaschigen Treibnetzen nach dem 370 Millionen-US$-Geschäft des Fischens mit Langleinen Taiwans zweitgrößter Fischereizweig war. Im selben Jahr brachten die Fischer mit den kleinmaschigen Netzen etwa 78 Millionen US$ ein - das sind ungefähr 6 Prozent des Gesamtumsatzes. Zusammen schlugen sie also mit 24 Prozent am gesamten Umsatz der Tiefseefischerei der Republik China zu Buche. Zum bevorzugten Fangziel für die Treibnetzfischer wurde der Thunfisch, womit man überwiegend entweder den japanischen Sashimi-Markt oder den US-amerikanischen Markt für Thunfisch in Dosen belieferte. Tintenfisch ist eine weitere bedeutende der eingeholten Arten. Die Hälfte dieses Fangs wird auf dem Binnenmarkt abgesetzt, und der Rest auf dem chinesischen Festland oder in Südkorea.

Ende der achtziger Jahre begannen für Taiwans Treibnetzfischer die Probleme. Fischer aus Alaska stellten 1988 einen deutlichen Rückgang bei ihrem Lachsfang fest. Sie gelangten zu der Ansicht, daß Treibnetzfischer aus Asien die Schuldigen seien und machten ihnen zum Vorwurf, daß deren Netze die Lachsschwärme abfingen, welche an die Küste Alaskas zum Laichen kämen. Bald wurden von den Fischern Australiens, Neuseelands und der Inselnationen im Pazifik ähnliche Proteste laut. Sie behaupteten, daß die Treibnetzfischer ihre Thunfischgründe überfischen würden.

Gleichzeitig gewann eine Umweltschutzkampagne zur Einstellung des Fischens mit Treibnetzen die Aufmerksamkeit der Medien. "Earthtrust", eine auf Hawaii angesiedelte gemeinnützige Umweltschutzvereinigung, welche Ende der siebziger Jahre für den Schutz von Walen gekämpft hatte, sandte 1988 eine Gruppe von Beobachtern in den Nordpazifik, um das Vorgehen beim Treibnetzfischfang zu dokumentieren. Im Zusammenhang mit einer Reihe von Anhörungen vor dem US-Kongreß im Jahre 1989 veröffentlichte "Earthtrust'' ihre Ergebnisse und zeigte Videoaufzeichnungen darüber, wie sich Delphine, Haie, Seevögel, Schildkröten und Robben in den Treibnetzen verfingen. Die Abgeordneten waren von den Bildern erschüttert und erließen in der Folge ein Gesetz, das den Gebrauch von Treibnetzen durch die amerikanische Fangflotte untersagte und die US-Regierung aufforderte, in Verhandlungen ein Verbot der Verwendung von Treibnetzen durch ausländische Fangflotten auf hoher See zu erreichen. Der Film wurde später im Fernsehen der Vereinigten Staaten, Neuseelands und Australiens gezeigt und bewirkte in der Öffentlichkeit einen Aufschrei der Empörung.

Im Jahr darauf begann auch die neuseeländische "Greenpeace"-Gruppe eine aggressive Kampagne gegen den Treibnetzfischfang. Die Organisation entsandte ein Schiff zur Beobachtung der Treibnetzfischdampfer und unternahm umfassende Recherchen. Während der Widerstand gegen den Treibnetzfischfang wuchs, begannen Umweltschützer, die Treibnetze als ''Todesvorhänge" zu bezeichnen und behaupteten, daß die 20 000 bis 30 000 Seemeilen an Netzen, die jede Nacht in den Pazifik gehängt werden, alles töten würden, was ihnen in den Weg schwimme oder fliege, und damit die ökologische Balance im Ozean ernsthaft störten sowie die Existenz vieler Meeressäugetiere bedrohten. Darüber hinaus gingen jedes Jahr etwa 650 Seemeilen Treibnetze im Meer verloren, und in diesen ''Geisternetzen" verfingen sich Hunderte maritimer Lebewesen, bis die Netze, voll mit verendetem Meeresgetier, an die Küste geschwemmt würden oder auf den Grund sänken.

Die Opposition gegen das Fischen mit Treibnetzen erhielt 1989 weiteren Auftrieb, als die zuständige Aufsichtsbehörde der US-Regierung, der Nationale Meeresfischereidienst (National Marine Fisheries Service), seine eigenen Daten über den durch Treibnetzfischfang verursachten Schaden vorlegte. Ein Team aus US-amerikanischen, kanadischen und japanischen Forschern beobachtete vier Prozent der japanischen Treibnetzfischer. Den Ergebnissen zufolge wurden alleine von diesem kleinen Teil der Flotte im Laufe eines Jahres beim Fang von Tinten- und Thunfischen 914 Delphine, 208 Seehunde, 141 Tümmler, 538 Albatrosse und 58 100 Blauhaie getötet. Diese Zahlen spornten viele Umweltgruppen zur Tat an.

Wie wird es weitergehen? Viele halten ein nach Verbot des Treibnetzfischfangs erforderlich gewordenes Umrüsten der Fangboote für zu kostspielig. Hat die Fischerei auf Taiwan überhaupt noch eine Chance?

Das Fischen mit Treibnetzen entwickelte sich schnell zu einer wirtschaftlichen, politischen und diplomatischen sowie zu einer ökologischen Problemfrage. Am 22. Dezember 1989 verabschiedeten die Vereinten Nationen eine Resolution, die eine sofortige Einschränkung des Treibnetzfischfangs im Südpazifik sowie ein vollständiges Verbot der Fangmethode in dieser Region bis spätestens Juli 1991 forderte. Sie rief außerdem zu einem weltweiten Stopp der Verwendung von Treibnetzen ab 30. Juni 1992 auf, bis "effektive Maßnahmen zum Naturschutz und -management" entwickelt seien. Auf Drängen von Japan hin verlängerten die Vereinten Nationen die Frist für das weltweite Verbot bis zum Ende des Jahres 1992, verlangten jedoch, daß die Einsätze bis 30. Juni 1991 um 50 Prozent verringert würden.


Angesichts des wachsenden Drucks der US-Regierung unterzeichneten Taiwan, Japan und Südkorea 1989 ein Abkommen über das Fischen mit Treibnetzen im Nordpazifik. Darin machte Taiwan bedeutende Zugeständnisse gegenüber den USA, worauf vielfach der Vorwurf erhoben wurde, das Abkommen verletze die Souveränität der Republik China. Beispielsweise legt es fest, daß Fischer vor Verkauf ihres Fangs nach Taiwan zurückkehren müssen, damit ihre Schiffe von Beamten der Republik China daraufhin überprüft werden können, ob unerlaubterweise Lachs gefangen wurde. Bereits von November 1989 an hatten Treibnetzfischer automatische Antwortsender zu installieren, welche den US- amerikanischen Autoritäten erlaubten, die Position von Schiffen der Republik China zu überwachen, so daß diese nicht in die Lachsgründe des Nordpazifiks eindringen würden. Zusätzlich wurden US-amerikanische Fischereibeamte befugt, in Begleitung Zuständiger der Republik China an Bord von Fangbooten aus Taiwan zu gehen, um den Fischfang zu beobachten.

Unterdessen begannen Australien, Neuseeland und die Inselnationen des Pazifiks, ihren Widerstand gegen Einsätze von Treibnetzen zu erhöhen. 1990 verboten sie der Flotte Taiwans, ihre Häfen zur Aufnahme von Vorräten anzulaufen, und führten hohe Geldstrafen für Treibnetzfischer ein, die in ihre Fischereizonen eindrangen. Im Falle der Cookinseln beispielsweise beträgt die Geldbuße für eine Übertretung 150 000 US$.

Starker internationaler Druck zwang die Regierung der Republik China, eine konziliantere Haltung einzunehmen. 1990 baute Taiwan seine Flotte von Treibnetzfischdampfern im Südpazifik um 30 Prozent ab und verbot jeglichen Einsatz ab Juli 1991. Im Atlantik beendete die Regierung der Republik China den Einsatz von Treibnetzen bereits im Februar 1991. Auch begann Taiwan ein Fünfjahres-Programm, in dessen Rahmen ältere Fangboote außer Dienst gestellt werden, indem man sie den Eignern abkauft. Mit einem jährlichcn Budget von 25 Millionen US$ begann die Regierung ab Juli 1991, sich auf  Treibnetzfängen zu konzentrieren. Im Rahmen des Programms erhalten Eigner eines Fischdampfers, der älter als 15 Jahre ist, 480 US$ pro Tonne oder maximal 200 000 US$ pro Schiff. Diejenigen mit Fangbooten, welche noch keine 15 Jahre alt sind, können für den Umbau zur Verwendung für eine andere Fangmethode Beihilfe erlangen, und zwar in Form eines Kredites von 200 000 US$ mit einem Vorzusgzinssatz von 6 Prozent. Mit diesem Programm plus einem Lizenzierungsstopp für neue Fangboote wurde Taiwans Treibnetzflotte auf 130 Schiffe verringert. Während der diesjährigen, letzen TintenfIschsaison von Juli bis Oktober ist nur 55 Schiffen das Fischen erlaubt.

Doch auch wenn die Republik China diese Maßnahmen durchführte, verweigerte sie anfänglich die gänzliche Aufgabe des Treibnetzfischfangs, bis adäquate wissenschaftliche Beweise vorlägen, welche den vorgeworfenen Schaden belegen - eine Position, die auch Japan eingenommen hatte. Mit dem Verweis, daß die großmaschigen Netze nur Fische von einer bestimmten Größe fangen würden, widersprechen die hiesigen Fischer dem Vorwurf, das Fischen mit Treibnetzen erschöpfe die Fanggebiete. Sie halten dagegen, daß die US-Flotte mit vierzig 1000-Tonnen-Beutelnetzfischdampfern in den Fanggründen des Pazifiks viel größeres Unheil anrichte; jedes dieser Schiffe finge jährlich 5000 bis 8000 Tonnen Fisch - bis zu 320 000 Tonnen insgesamt. Der Fang bestehe zu 80 Prozent aus Fischen, die weniger als 15 Kilos wiegen würden, und viele von ihnen seien noch zu jung.

Auch argumentieren die einheimischen Fischer, daß zur verringerten Dezimierung von Arten, auf die man es nicht abgesehen hat, der Treibnetzfischfang verändert werden könne. Treibnetzfischer könnten die Länge des Netzes reduzieren, die Maschen vergrößern, die Fangsaison verkürzen und die Netze so ändern, daß sie eineinhalb Meter unterhalb der Wasseroberfläche hängen, womit die Wahrscheinlichkeit, daß sich in ihnen Meeressäugetiere und Seevögel verfangen, in großem Maße verringert würde.

Doch der internationale Widerstand gegen das Fischen mit Treibnetzen wuchs im Jahre 1990 nur noch mehr. Damals begannen im April US-amerikanische Hersteller von Thunfisch in Dosen, mit Treibnetzen eingeholte Fangbeute zu boykottieren. Die Vereinigten Staaten sind herkömmlicherweise Taiwans zweitgrößter Abnehmer für tiefgekühlte Meeresfrüchte, unmittelbar nach Japan. Das Geschäft mit den USA beläuft sich auf durchschnittlich 300 bis 400 Millionen US$ im Jahr und konzentriert sich auf Garnelen und Thunfisch. Als hier die Verkaufszahlen fielen, waren die Treibnetzfischer gezwungen, ihren überschüssigen Thunfisch auf dem Binnenmarkt abzusetzen, was den Markt übersättigte und den Preis um 50 Prozent, auf 0,70 US$ pro Kilo, drückte. Dies zwang schließlich viele Fangboote zum Aufgeben. Anfang 1991, als Taiwan die Resolution der Vereinten Nationen formell annahm und Premierminister Hau Pei-tsun den Rat für Landwirtschaft anwies, den Einsatz von Treibnetzen bis zum Ende des Jahres 1992 vollständig abzuschaffen, gab die Regierung der Republik China ihren Kampf auf, auch nur einen Teil dieses Fischereizweigs zu retten.

Die Reaktion in der einheimischen Hochseefischerei ist eine Mischung aus Groll und Hilflosigkeit. Viele Fischer, die Treibnetze verwendeten, glauben, daß die von ausländischen Regierungen und Umweltschutzgruppen erhobenen Vorwürfe übertrieben und unfair seien. James Sha (沙志一), Chef der Unterabteilung für Seefischerei in der Fischereiabteilung des Rates für Landwirtschaft, erklärt, daß Funktionäre der USA und der Republik China in den letzten zwei Jahren den Einsatz von Treibnetzen auf einer Reihe von Fischdampfern Taiwans beobachtet hätten. Doch gab es bei den abschließenden Empfehlungen, die von den Experten einer jeden Seite des Pazifiks gegeben wurden, wesentliche Unterschiede. "Die Beobachter der Republik China und die der USA legten eine Menge Tabellen vor, aber ihre Schlüsse daraus waren unterschiedlich", schildert Sha.  "Die Funktionäre der Republik China kamen zu dem Schluß, daß Treibnetze, wenn sie mit gewissen Beschränkungen eingesetzt würden, den Fanggründen und der Meeresfauna keinen ernsthaften Schaden zufügten."

Fu Hsin-fu (傅新輔), Generalsekretär des "Verbandes für Eigner von Hochsee- Thunfischdampfern und Thunfischexporteure Taiwans", äußert ähnliche Frustrationen. "Treibnetzfischfang ist eine sehr selektive Methode des Fischens, die nur auf Fisch einer bestimmten Größe zielt", meint er. "Vorwürfe, daß dadurch die Fanggebiete erschöpft würden, sind haltlos. Japanische Nachforschungen bestreiten ebenfalls, daß es den Beständen an Meeressäugern substantiellen Schaden zufüge. Es ist unfair, die Fangmethode abzuschaffen, nur um zu vermeiden, daß Delphine zu Schaden kommen." Hsieh Yu-chih (謝有志), Präsident der Win Far Fishery Co. in Kaohsiung, rügt in ähnlicher Weise: "Es gibt keinen Grund für die USA, sich in unsere Angelegenheiten auf hoher See einzumischen. Doch die USA sind der große Bruder; wir haben keine andere Wahl, als ihm zu gehorchen."

"Wir wären mehr als bereit, mit dieser Fischfangmethode Schluß zu machen, wenn es fundierte wissenschaftliche Belege dafür gäbe, daß das Fischen mit Treibnetzen den Fanggründen und den Meeressäugetieren schadet", meint Tsai Ting-pang (蔡定邦), Vorsitzender des Einsatzkomitees für Treibnetzfischfang (Driftnet Fishing Operation Committee) und Präsident der Kwang Yang Fishing Co. in Kaohsiung. "Schließlich muß jeder an die Zukunft seiner Kinder denken." Tsai erklärt, daß er keine Daten gesehen habe, die beweisen, daß das Fischen mit dem Treibnetz abgeschafft werden müsse, anstatt es einfach zum Schutz von Fisch, den man nicht fangen wolle, zu verändern. "Wie können wir Fischersleute von der Richtigkeit der Vorwürfe, die gegen den Treibnetzfischfang erhoben werden, überzeugt sein? Man kann uns auffordern, die Maschen zu vergrößern oder die Fangzeiten zu begrenzen. Aber es ist unfair, die Fangmethode ohne überzeugende Anhaltspunkte gänzlich zu verbieten."

Angesichts des bevorstehenden Verbots sind Schiffseigner pessimistisch hinsichtlich einer Umstellung auf andere Fangmethoden. Erstens müssen sie die hohen Kosten tragen, ein Schiff entsprechend umzurüsten, was auf mehr als 200 000 US$ pro Schiff geschätzt wird. "Es ist sinnlos, auf alten Treibnetzfischdampfern neue Ausrüstung zu installieren", urteilt Hsieh Yu-chih von Win Far Fishery Co. Statt dessen, so sieht er voraus, würden einige Schiffseigner ihre Boote in andere Fanggebiete schicken oder das Geschäft aufgeben. "Einige Treibnetzfischdampfer werden mit der Regierung Indonesiens zusammenarbeiten und in seinen territorialen Gewässern operieren", prophezeit Hsieh. "Andere werden einfach aufhören. Als Folge des Verbots werden viele Fischereiunternehmen schließen."

Zusätzlich werden einheimische Schiffseigner Schwierigkeiten haben, mit ausländischen Flotten, die sich aus großen, modernen Dampfern zusammensetzen, zu konkurrieren. Ein Grund dafür ist, daß die meisten einheimischen Unternehmen der Hochseefischerei klein sind - viele unterhalten nur ein Schiff oder zweie -, und es ihnen an den Mitteln fehlt, große, hochmoderne Dampfer zu kaufen. Darüber hinaus stehen diese Firmen vor begrenzten Fanggebieten und einer gravierenden Knappheit an Arbeitskräften.

Doch nicht jeder sieht das Ende des Treibnetzfischfangs mit Pessimismus. "Die riesige Ausbeute an Tintenfischen mit Hilfe von Treibnetzen hat in den letzten Jahren ein Überangebot von Tintenfisch auf dem Binnenmarkt bewirkt, was den Preis auf 0,08 US$ pro Kilo drückte - weniger als ein Drittel des Niveaus von 1984", berichtet Chang Shu-pin (張淑彬), Generalsekretär des "Verbandes für Tintenfischfang Taiwans" (Taiwan Squid Fishing Association). "In der Folge hat jeder Tintenfischdampfer hier Verluste eingefahren. Mit der Abschaffung des Treibnetzfischfangs werden Angebot und Nachfrage wieder ausgeglichener, was den Preis von Tintenfisch auf ein angemessenes Niveau heben wird."

"Tatsächlich ist es sogar so", fährt er fort, "daß unsere Mitgliedsfirmen insgesamt 133 Fischdampfer für den Fang von Tintenfisch mit dem Heintzblinker haben, in der Größenordnung von 720 bis 1400 Tonnen. Ihre Fanggründe liegen vorwiegend im Südatlantik. Jedesmal, wenn die Fischfangsaison hier im Juni endet, fahren sie in den Nordpazifik, um dort Tintenfisch zu fangen. Umgeben von Hunderten eigens für das Treibnetzfischen ausgerüsteter Fangboote aus Japan, Südkorea und Taiwan hatten sie doch gar keine andere Wahl, als auch mit Treibnetzen zu fischen. In Zukunft werden sie einfach wieder im Nordpazifik mit dem Heintzblinker arbeiten."

Fischereiexperten glauben, daß die Hochseefischerei Taiwans mit dem Ende des Treibnetzfischfangs gezwungen sein werde, ihre Einrichtungen und Fangmethoden zu modernisieren, und daß viele Firmen, die nur ein Schiff betreiben, unvermeidlicherweise aus dem Geschäft gedrängt werden. Zusätzlich wird Taiwan seine Fanggebiete vergrößern müssen, indem es mit ausländischen Regierungen über eine Erlaubnis, in deren Gewässern fischen zu dürfen, verhandelt. Wenige ausländische Regierungen haben eine solche Zusammenarbeit gewährt. Fu Hsin-fu schlägt vor, daß die Republik China dem Beispiel Japans folgen und Programme zur Wirtschaftshilfe einrichten solle, beispielsweise Beihilfen zum Bau neuer Häfen, im Austausch für Fangrechte von ausländischen Regierungen.

Unterm Strich wissen diejenigen, welche mit der Hochseefischerei zu tun haben, daß die nächsten paar Jahre hart sein werden. Tsai Ting-pang faßt es so zusammen: "Die Abschaffung des Einsatzes von Treibnetzen wird die Hochseefischerei sicherlich in ein anderes Zeitalter drängen. Damit wird die Natur der Fischerei drastisch verändert, und diese Veränderung wird sich sehr schnell vollziehen. Ob wir mit derart dramatischen Veränderungen über Nacht Schritt halten können, bleibt abzuwarten."

(Deutsch von Martin Kaiser)

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